Spiritualität und Palliative Care
Wir verstehen Spiritualität als ein Lebensphänomen, das sich auf vielfältigste Weise in ausserordentlichen, krisenhaften Momenten wie auch in der alltäglichen Lebenserfahrung zeigen kann. Einerseits kann Spiritualität eine Rolle spielen, wenn ein eine schwere Erkrankung einen Menschen zutiefst herausfordert Sie bringt ihn an Grenzen: Grenzen des Vertrauten, des Verstehens, des Schmerzes. Mit Spiritualität ist der persönliche Weg gemeint, um in dieser Grenzerfahrung zu sich zu kommen und zu dem, was einen trägt. Andererseits wird Spiritualität oft an den Rändern des alltäglichen Lebens erlebt, bei kleinen, berührenden Begegnungen oder Dialogen. Oft spielen Tiere eine Rolle, ein Vogel vor dem Fenster, oder eine Katze die sich auf die Decke eines Sterbenden legt. In solchen Begebenheiten leuchtet etwas von der spirituellen Tiefendimension des Lebens auf, die unsere alltäglichen Gewohnheiten und routinierten Wahrnehmungsmuster aufbrechen und die zugleich mitten im Alltäglichen gefunden werden kann.
Für die spirituelle Begleitung gilt: Es braucht vor allem das konzentrierte Wahrnehmen und Hinhören, um Äußerungen von Spiritualität beim anderen zu erfassen und um zu erkennen, in welcher «Sprache» sie vermittelt werden. Dies im Wissen darum, dass Spiritualität in unterschiedlichsten Weisen erlebt und beschrieben werden kann.
Um spirituelle Einstellungen und Überzeugungen in den Behandlungspfad miteinzubeziehen, haben Fachleute verschiedener Gesundheitsdisziplinen in den letzten Jahren den interprofessionellen Betreuungsansatz der Spiritual Care entwickelt. Ziel von Spiritual Care ist es, die unterschiedlichen Lebenseinstellungen und Weltanschauungen aller Betroffenen und Beteiligten zu beachten und deren spirituelle Bedürfnisse und Wünsche in eine Behandlung zu integrieren. Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) hält dazu Folgendes fest: «Die spirituelle Begleitung leistet einen Beitrag zur Förderung der subjektiven Lebensqualität und zur Wahrung der Personenwürde angesichts von Krankheit, Leiden und Tod. Dazu begleitet sie die Menschen in ihren existenziellen, spirituellen und religiösen Bedürfnissen auf der Suche nach Lebenssinn, Lebensdeutung und Lebensvergewisserung sowie bei der Krisenbewältigung. Sie tut dies in einer Art, die auf die Biografie und das persönliche Werte- und Glaubenssystem Bezug nimmt. Dies setzt voraus, dass die existenziellen, spirituellen und religiösen Bedürfnisse der Beteiligten erfasst werden. Interventionen und der Zugang zu adäquaten Angeboten im Bereich der spirituellen Begleitung sind in regelmässigen Abständen im interprofessionellen Team zu thematisieren und die Kontinuität der Begleitung ist zu gewährleisten.» (BAG/GDK, Nationale Leitlinien Palliative Care, 2010).
Dieses Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen wurde im amerikanischen Kontext als ein Zusammenspiel von gesundheitsberuflich-allgemeiner Spiritual Care einerseits und von seelsorglich-spezialisierter Spiritual Care andererseits mit je unterschiedlichen Rollen und Aufgaben konzeptionell entwickelt. Dahinter steckt die Einsicht, dass die spirituelle Begleitung am besten im interprofessionellen Miteinander nachhaltig wirksam wird.